(me) Zum ersten Mal wurden in diesem Jahr auch im fernen Rumänien Weltranglistenturniere aller Altersklassen angeboten, und zwar in Baia Mare. Wer aufgrund rudimentärer romanischer Touristen-Sprachkenntnisse auf ein Tanzsportwochenende in Verbindung mit Strandurlaub am Meer hoffte, sah sich alsbald enttäuscht: Der Ort liegt fast 800 km vom Schwarzen Meer entfernt am Rande der Karpaten. Ein ausführlicher Check der Flugverbindungen ergab, dass keiner der rumänischen Flughäfen sich in weniger als 18 Stunden von Hannover aus erreichen ließ, wobei sich als Optimum eine Route über London (der direkteste Weg nach Südosteuropa?) mit dreimaligem Umsteigen entpuppte. Daraufhin beschlossen Birgit und Marcel Erné, die sich diesen noch unerforschten Flecken auf der Landkarte Europas nicht entgehen lassen wollten, über München bis Budapest zu fliegen und sich von dort irgendwie quer durch Ungarn über die rumänische Grenze durchzuschlagen. Und dann kam als rettende Lösung das überaus großzügige Angebot der Veranstalter, einen kostenlosen Shuttle-Transfer von Budapest bis Baia Mare zu organisieren – immerhin mehr als 400 km über Stock und Stein. Auf der etwa sechsstündigen Fahrt wechselten sich schier endlose Ketten von Schlaglöchern mit den am Straßenrand wohlfeil gebotenen Knoblauchzöpfen ab – alles erinnerte an die holperige Kutschenfahrt zu den Ländereien Graf Draculas. Total durchgeschüttelt und todmüde, aber unversehrt landete unser Clubpaar im Hotel Carpati, wo die meisten Tänzer und Funktionäre untergebracht waren.
In der Sala Polyvalenta des Sportkomplexes gab es weit und breit keine Spiegel – und so blieb es ein düsteres Geheimnis, ob sich auch vereinzelte Vampire unter die Tanzenden gemischt hatten. Jedenfalls war das ursprünglich gemeldete Starterfeld bei den Senioren II und III stark gelichtet; die Ursache war vermutlich aber doch eher in der höchst komplizierten und beschwerlichen Anreise zu suchen. Wie auch immer – Birgit und Marcel nutzten ihre Chance bereits am Nachmittag in der jüngeren Altersklasse II und ertanzten sich auf dem mit schönen Intarsien verzierten Holzparkett zu ihrer großen Freude Platz 4 ganz nahe am Siegerpodest.
Am Abend sah dann ein begeistertes Publikum im Wechsel mit mehreren WDSF-Turnieren die tempogeladene und von Temperament sprühende Standard-Show des ehemaligen Amateur-Weltmeisters Paolo Bosco mit seiner neuen Partnerin Joanne Clifton. Gegen diese geniale Darbietung mag das Feld der Senioren III auch ohne blutsaugende Fremdeinwirkung ziemlich alt und blutleer ausgesehen haben. Trotzdem sparten die Zuschauer nicht mit frenetischem Applaus, was Birgit und Marcel auch ohne Fledermausflügel zu einem tanzsportlichen Höhenflug antrieb: Im Finale mit sieben Paaren aus fünf Ländern ergaben die Wertungen der Juroren aus 13 verschiedenen Nationen für sie schließlich als Gesamtergebnis Platz 2, so dass sie zu später Stunde den schweren Silberpokal auf dem zweithöchsten Treppchen präsentieren durften.
Auch wenn die Rückreise sich noch länger und holperiger gestaltete – dieser abenteuerliche Ausflug zum Tanz im Land der Vampire hatte sich für unser Clubpaar doppelt gelohnt.