Im wirbelnden Schneesturm glitt eine Maschine der Air Baltic über die tief verschneite endlose Landebahn dem Terminal des Airports Tampere entgegen. An Bord unsere tanzsportlichen Globetrotter Marcel Erné und Birgit Suhr-Erné, die nach längerer berufsbedingter Pause wieder einmal neues internationales Tanzsportterrain ergründen wollten. Da war das traditionelle Tampere Winter Dance Festival mit nahezu 500 teilnehmenden Paaren eine willkommene Gelegenheit, zwei Tage Abwechslung in verschneiter Winterlandschaft mit einer Reihe hochkarätiger Tanzturniere zu kombinieren.
Am ersten Tag galt es, das Finale des Turniers der Senioren III S zu erreichen. Dies gelang den Beiden mit einer überzeugenden, aber kraft- und atemraubenden Vorstellung in den Qualifikationsrunden. Da alle fünf Tänze für sämtliche Semifinalisten gemeinsam nonstop und in voller Länge durchgepeitscht wurden, blieb kaum eine Sekunde zum Durchatmen. Auch im Finale, das mit sechs Paaren aus fünf Ländern, darunter nationale Meister und Vizemeister, auffällig international gefärbt war, gab es keine einzige Verschnaufpause. Mindestens ebenso bunt wie die Flaggen der beteiligten Nationen fielen, wie die spätere Ergebnisliste zeigte, die verdeckten Wertungen des rein osteuropäischen Wertungsgerichts aus. Der Sieg für die finnischen Champions Kekola/Maunuksela und der zweite Platz für die niederländischen Meister Abbink waren unumstritten, doch die Reihenfolge bei der Vergabe der weiteren Plätze löste ungläubiges Kopfschütteln aus. Da Birgit und Marcel auf früheren Turnieren alle Finalisten mit Ausnahme des Siegerpaares schon hinter sich gelassen hatten und mehr als zwei Drittel ihrer Einzelwertungen zwischen 2 und 5 lagen, war der 6. Platz für sie kein ganz zufriedenstellendes Endergebnis. Trotzdem bedeutete der Einmarsch zur Siegerehrung unter einer Lichterkette hindurch und über eine Treppe auf das riesige Parkett ein schönes und aufregendes Highlight, das stark an „Let’s Dance“ erinnerte.
Am Sonntag stand das IDSF-Weltranglistenturnier der Senioren II auf dem Programm, in jeder Hinsicht eine deutliche Anspruchssteigerung gegenüber dem Senioren-III-Turnier: dreimal so viele Teilnehmer, die meisten 10 bis 15 Jahre jünger, stellten sich der Beurteilung durch die renommierte Jury aus 11 Nationen, in der sich so klangvolle Namen wie Yukka Haapalainen, Asis Kadjeh-Nouri und Lasse Ödegaard fanden. Hier wollten Birgit und Marcel eigentlich nur „just for fun“ mitmachen – aber es sollte anders kommen: während die Dritten des Senioren-III-Turniers in der 48er-Runde hier nur noch 12 Kreuzchen erreichten und die Vierten sogar abgeschlagen auf dem letzten Platz landeten, konnten Birgit und Marcel den Spieß umdrehen und zogen zu ihrer großen Freude mit 34 Kreuzchen sicher ins Viertelfinale ein, wo sie das Turnier als Platznachbarn der österreichischen Meister Novak mit dem 21. Platz abschlossen und damit nicht nur an fast allen Altersgenossen vorbeizogen, sondern auch einem Großteil der scheinbar übermächtigen jüngeren Generation Paroli boten. Zwei tanzsportliche Leitlinien haben sich wieder einmal bewahrheitet: „Unverhofft kommt oft“ und „Je stärker die Konkurrenz, desto besser!“
In Erinnerung bleibt ein Wintermärchen mit schneeverzauberter Kulisse, einem manchmal verhexten Parkett und schließlich einer guten Fee, die ein glückliches Ende beschert.