Auf einem Wettbewerb, der vom eigenen Verein ausgerichtet wird, zu tanzen, fand ich von vornherein schon einmal ziemlich aufregend. Vermutlich würden viele Bekannte zuschauen und uns viel Aufmerksamkeit schenken: ein Teil des Vorstands, die Trainer und natürlich auch Mittänzer aus den Breitensport- und Turniergruppen. Gerade diesem Publikum wollten wir natürlich eine gute Leistung zeigen, was bereits vor Ankunft im Vereinsheim für einen erhöhten Adrenalinspiegel bei uns beiden sorgte. Mein Lampenfieber war allerdings noch aus einem anderen Grund auf ein ungewöhnliches Level gestiegen, denn schließlich wurde auf meine Initiative hin die Auftaktveranstaltung der Breitensportserie des Niedersächsischen Tanzsportverbandes (NTV) 2022 in den Räumen des PSH veranstaltet. Da ich die Terminabstimmung mit dem NTV durchgeführt hatte, fühlte ich mich für das Gelingen dieser Veranstaltung im TTC mitverantwortlich.
Mit gemischten Gefühlen erreichte ich das Vereinsheim und wurde mit viel Beifall empfangen. Dieser Beifall galt selbstverständlich nicht mir, sondern den von ihren Eltern angefeuerten Kindern, die gerade mit viel Begeisterung ihren Latein-Wettbewerb durchführten. Eine vom Turnierwart bestens organisierte Veranstaltung lief offensichtlich auf vollen Touren. Also erstmal durchatmen … alles ist gut! Oder besser: Alles wird gut …. nach dem eigenen Einmarsch!
Beim Umziehen für unseren eigenen Latein-Wettbewerb kamen mir aber dann doch so meine Zweifel, ob wir als Seniorenpaar wohl in der Lage sein würden, dem heimischen Publikum eine Performance nach Latein-Rhythmen – wenn auch nicht so unbekümmert wie die Kinder – aber dennoch einigermaßen mitreißend zu bieten. Beim Blick auf die Startliste wurden meine Zweifel größer. Obwohl wir schon seit ein paar Jahren an der Serie teilnehmen, waren an diesem Termin für den Lateinwettbewerb nur uns unbekannte Paare gemeldet. Beim Eintanzen im Trainingsraum trafen wir auf drei deutlich jüngere Paare und auf ein etwas reiferes Paar, die uns mit ihrer professionellen Ausführung und souveränen Ausstrahlung haushoch überlegen schienen. Im Unterschied zum Turniersport, wo in festgelegten Altersgruppen getanzt wird, kann es beim Breitensport durchaus vorkommen, dass 60plus-Paare gegen gerade mal 18-jährige Erwachsene antreten. Meine Einschätzung war deshalb realistisch: Heute haben wir keinerlei Chancen auf einen der vorderen Plätze! Egal, wir zeigen gleich, was wir können – mehr geht halt nicht.
In der Vorrunde zeigte sich dann auch meine Nervosität deutlich. Ich führte Folgen, die wir gar nicht trainiert hatten, und die Musik endete, bevor mir die für den Wettbewerb eingeübten Folgen wieder einfielen. Da wir aber nur fünf Paare waren, war es kein Beinbruch, denn somit war klar, dass wir in der Endrunde tanzen durften. Nun konnten wir das geplante Programm abspulen. Bei der letzten offenen Wertung für den Jive kam dann der Moment der Ernüchterung. War es doch erfahrungsgemäß der Tanz unserer besten Bewertungen, erhielten wir dieses Mal drei Fünfen. Aber wer unmittelbar vor einem Wettbewerb versucht, Grundsätzliches an der Jive-Basic zu verändern, muss sich nicht wundern, wenn er im Wettbewerb – statt mit gezeigter Leichtigkeit puren Spaß am Tanzen zu vermitteln – nur einen verkrampften Eindruck hinterlässt.
Umso überraschter war ich bei der Siegerehrung: Wir hatten uns den dritten Platz ertanzt und damit unter Beweis gestellt, dass der Start von Seniorenpaaren neben jungen Erwachsenen in Latein[1]Wettbewerben nicht zwangsläufig in einem Fiasko enden muss. Vielmehr können im Breitensport wohl durchaus auch 60plus-Paare das Leistungsniveau mitdefinieren. Den engagierten Trainern sei Dank!
Bei der Übergabe eines wunderschönen Blumenstraußes fand unsere Freude keine Grenzen! Nach dem Wettbewerb haben wir dann noch lange mit unserem Trainer und einer ehemaligen Mittänzerin aus unserer Breitensportgruppe zusammengesessen und über alte Zeiten beim TTC geplaudert. Es war für uns ein gelungener Tag, an den wir uns gerne erinnern werden. Olaf Kantorek